Dreimal Frieden

Frieden #1

Wer trägt Verantwortung für die Bewahrung des Friedens? Jeder Mensch, denn es gibt wohl kaum eine Frage, die existenzieller ist und die Gesellschaft als Ganzes und jeden Einzelnen mehr beschäftigen sollte. 
Im Entwurf zeichnet ein Kind mit Kreide eine Friedenstaube auf die Wand. Aber beim zweiten Hinsehen bemerkt man, dass auch das Kind mit Kreide gezeichnet wurde. Von wem? Die Antwort bleibt bewusst offen.
Der Wunsch nach Frieden steckt in uns allen, der Akt des Zeichnens einer Friedenstaube ist das öffentliche Sichtbarmachen dieses Wunsches und ein Zeichen der Hoffnung. Das Zeichnen eines Kindes, das eine Friedenstaube zeichnet wiederum kann man als den Appell sehen, ein jeder möge diesen Wunsch öffentlich machen bzw. aktiv etwas für den Frieden tun. Man weiß nicht wer das Kind gezeichnet hat und auch nicht wann. Es könnte jeder gewesen sein, zu jeder Zeit – das bezieht potenziell also alle Menschen mit ein und steht für den dauerhaften Wunsch nach Frieden.
Die Szene könnte sich an jedem Ort der Welt abspielen, denn der Friedenswunsch macht nicht an Ländergrenzen Halt.

Frieden #2

In der neueren Geschichte gab es wenige lange Phasen des Friedens. Frieden zu bewahren ist eine hohe Kulturleistung; und es ist auch die Kunst des Gleich­gewicht haltens. 
Der Entwurf verdeutlicht diesen Drahtseilakt, indem er jedes Drahtseil zur Balancier­stange für zwei weitere Akteure macht. Es entsteht in der Vorstellung ein riesengroßes Mobilé, in dem jede(r) Einzelne Verantwortung für das Ganze trägt und sowohl auf seine als auch auf die Bewegungen seines Pendants achten und ausgleichend reagieren muss. Kommt eine(r) aus dem Tritt und der andere kann es nicht ausgleichen, gerät alles aus den Fugen.

Frieden #3

Die Sinnlosigkeit von Kriegen wird spätestens dann unübersehbar, wenn man sich überlegt, dass alle Beteiligten Kinder von Vätern und Müttern bzw. selbst bereits Eltern sind. Es ist dann eigentlich unvorstellbar, dass, ein Mindestmaß an Empathie vorausgesetzt, jemand einem anderen Gewalt antun könnte. Der Gedanke (und es zeichnet den Menschen aus, dass er solche Gedanken fassen kann): „das könnte doch auch mein Kind oder mein Vater, meine Mutter sein“ müsste jegliche Kriegsgräuel verhindern.
Der Entwurf zeigt ein Kind, das seinen in Militäruniform bekleideten Vater fest umarmt, nein, sich an ihm festkrallt. Es will ihn nicht (wieder) gehen lassen. Ob der Vater gerade zurückgekehrt ist aus dem Krieg oder ob er dorthin aufbrechen muss, bleibt bewusst offen. Es ist eine sehr stille und zutiefst warme und mensch­liche Szene, ganz im Gegensatz zum Krieg, der laut, kalt und unmenschlich ist.

Entwürfe im Rahmen eines Wettbewerbs für ein Sonderpostwertzeichen im Auftrag des Bundesministerium der Finanzen, 2022